Verbotenes Denken: Vom Ende der Meinungsfreiheit in Europa

Mit dem Digital Services Act und dem „Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation“ schafft die EU eine ausgeklügelte Infrastruktur zur umfassenden Zensur von Informationen und Meinungen – ausgelagert an private Konzerne. Was Gastautor Johannes Mosmann durch Analyse dieser Dokumente kühl und sachlich an totalitärer Kontrollambition der Regierenden herausarbeitet, erinnert an dunkle, vordemokratische Zeiten.

Johannes Mosmann auf „Geld und mehr“, dem Blog von Norbert Haering

Im Juni 2022 stimmte der EU-Binnenmarktausschuss der „Verordnung über digitale Dienste“ zu, die weitreichende Folgen für die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung hat. Unverblümt sprechen die EU-Funktionäre nun auch das zu Grunde liegende Weltbild aus: Unwahrheiten verhalten sich wie Viren, weshalb eine gute Regierung die Wahrheit ebenso pflegen muss wie die Volksgesundheit. Und zwar mit denselben Methoden: Verhinderung des Erstkontakts mit Unwahrheiten, Isolierung der infizierten Träger und perspektivisch sogar Impfungen gegen falsche Meinungen.

Verbotenes Denken

Die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Versammlungsverbote, Maskenpflicht, Schulschließungen oder Impfkampagne zielten direkt auf die Eindämmung der Pandemie. Flankiert wurden diese durch Maßnahmen zur Durchsetzung „verlässlicher Informationen“ in den Medien und zur „Bekämpfung von Desinformation“, die sich in atemberaubender Geschwindigkeit die eigenen strukturellen Voraussetzungen verschafften, etwa durch die Einrichtung der „Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien (EDMO)“ bereits im Juni 2020 (1) oder der erstmaligen Unterstellung aller „journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote“ unter die staatliche Aufsicht gemäß des „Medienstaatsvertrags“ im November 2020. (2)

Mit Unterzeichnung des „Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation“ verpflichteten sich die Digitalkonzerne, in „technologische Mittel zu investieren, um relevante, authentische und maßgebliche Informationen gegebenenfalls in der Suche, in Feeds oder anderen automatisch eingestuften Verbreitungskanälen zu priorisieren“ sowie „die Platzierung von Werbung auf Konten und Websites, die Desinformationsanbietern gehören, wirksam zu prüfen, zu kontrollieren und zu begrenzen.“ (3) Mit anderen Worten: ihre Suchalgorithmen zu manipulieren, Inhalte zu löschen und Webseiten, die „Falschbehauptungen“ veröffentlichten, Werbeeinnahmen zu entziehen. Darüber, wie sie Desinformation unschädlich machten und „verlässliche Informationen“ durchsetzten, mussten die Konzerne der EU-Kommission monatlich Bericht erstatten.

Die wenigsten Betroffenen dürften die finanziellen Mittel gehabt haben, sich dagegen gerichtlich zur Wehr zu setzen. Die Künstlergruppe #allesaufdentisch, darunter viele bekannte deutsche Schauspieler, versuchte es und klagte vor dem Landgericht Köln gegen die Löschung ihrer Videos. Das Gericht gab den Künstlern recht. (4) Google jedoch ging in Berufung und sperrte wenige Tage nach dem Urteil weitere Videos der Initiative. (5) Ob diese ihr Recht auf freie Meinungsäußerung letztendlich durchsetzen wird, dürfte den „öffentlich-privaten Partnerschaften“ egal sein – bis dahin ist ein Diskurs über Corona-Maßnahmen obsolet.

Im August 2021 erklärte Neal Mohan, Produktleiter von Youtube, dass die Google-Tochter bislang mehr als eine Million Videos mit Corona-Bezug gelöscht habe. (6) Effektiver noch als die Löschungen sei allerdings die Vorzugsbehandlung für „vertrauenswürdige Informationen“ gewesen. „Bei COVID verlassen wir uns auf den Expertenkonsens von Gesundheitsorganisationen wie der CDC und der WHO“, so Mohan. (7) Dasselbe machte Google mit den Trefferlisten der Suchmaschine. (8)

Unabhängig vom Sinn der Suchanfragen wurden „vertrauenswürdige Informationen“ von Regierungen oder regierungsnahen Institutionen im Ranking nach oben gedrückt, wohlwissend, dass alles, was nicht auf den ersten drei Seiten erscheint, kaum mehr einen Leser findet. 

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