Screenshot Paul Brandenburg Schwarz auf Weiß

Staatliche Machtdemonstration: Regierungskritiker wird als Zeuge wie Terrorist behandelt

Mit der Speerspitze der Terrorismusbekämpfung geht der Staat gegen unbescholtene Bürger vor, die nur Zeugen in einem Ermittlungsverfahren sind.

Von Sophia-Maria Antonulas auf paulbrandenburg.com/ schwarz auf weiß

Ein Einfamilienhaus in Nordrhein-Westfalen, frühmorgens, am Mittwoch, dem 22. März. Die Bewohnerin öffnet die Terrassentür, um im Garten die Vögel zu füttern. Es ist genau 6:01 Uhr. Da bemerkt sie, wie sich jemand an der noch geschlossenen Sicherheitsjalousie zu schaffen macht. Sie schreit: „Weg hier, sonst rufe ich die Polizei!“ Doch die hat inzwischen erfolgreich ein großes Loch in den Rollladen geschnitten. Die Frau schafft es gerade noch die Terrassentür zu öffnen.

Mehrere Beamte der Spezialeinheit GSG 9 stürmen das Gebäude mit durchgeladenen und entsicherten Waffen, drei oder vier dringen in die erste Etage vor. Björn Lars Oberndorf schreckt aus seinem Bett auf und schaut in mehrere Handfeuerwaffen mit der hellen Lampe oben drauf. „Die Beamten waren so überrascht wie ich und ließen mich wahrscheinlich deshalb ins Erdgeschoß durch. Ich wollte nach meiner Lebensgefährtin sehen“, ruft sich der Kriminologe und ehemalige Polizeibeamte die ersten Momente der Hausdurchsuchung in Erinnerung. Unten angekommen wird er mit Kabelbindern gefesselt und auf einen Stuhl gesetzt. Als die Einsatzkräfte der GSG 9 rufen, dass das Objekt gesichert sei, erwidert Oberndorf nur lakonisch „das war die ganze Zeit sicher“.

Anschließend zeigt der Einsatzleiter vom Bundeskriminalamt Oberndorf den Durchsuchungsbeschluss. Er sei Zeuge in einem Ermittlungsverfahren und es ginge um eine Beweissicherung. Oberndorf, der auch erster Vorsitzender des Vereins Polizisten für Aufklärung ist, widerspricht der Maßnahme. Trotzdem werden sein Computer und zwei Festplatten beschlagnahmt. Einsatzkräfte der Landespolizei NRW und des Bundeskriminalamts durchsuchen das Haus, samt Keller und Garage. „Auch meine Lebensgefährtin wurde durchsucht und ihre persönlichen Dinge durchwühlt. Insgesamt waren rund 15 Polizeikräfte, ohne GSG 9, über sechs Stunden beschäftigt“, erzählt Oberndorf, „mein Mobiltelefon wurde kontrolliert, bestimmt auch gespiegelt und wer weiß, ob ich es nicht mit zusätzlichem Inhalt zurückbekommen habe“. Die Beamten hätten unter anderem Fotos von den Büchern und den Zeitschriften des Kriminologen gemacht.

Warum GSG 9?

Auf Oberndorfs Frage, warum denn die Terrorbekämpfungseinheit GSG 9 hier sei, antwortete der Einsatzleiter nur, dass andere Spezialeinheiten an dem Tag verplant gewesen seien.

„Die gesamte Durchsuchung ist so offenkundig rechtswidrig“, betont der Kriminologe. Laut Paragraph 103 der Strafprozessordnung muss eine Haudurchsuchung bei einem Tatunverdächtigen besonders begründet werden, zum Beispiel wenn bei einer Observation herauskam, dass das Geld von einem Banküberfall bei jemandem im Keller versteckt wird.

„Die Polizei hätte mich doch einfach zur Zeugenvernehmung vorladen oder bei mir klingeln können“, betont Oberndorf. „Stattdessen hat man sich entschieden, zu eskalieren und das Leben der Betroffenen und der Einsatzkräfte zu gefährden.“ Denn die meisten Bürger gingen in derselben Situation wohl von einem Überfall aus und würden sich vielleicht aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken wehren. „Die Art und Weise macht mir Sorgen, weil es für beide Seiten eine Gefährdung darstellt.“

Oberndorf wird anscheinend als Zeuge geführt, weil er sich Mitte November 2022, also vor viereinhalb Monaten, in seiner Funktion als Vereinsvorstand mit einem ehemaligen Mitglied getroffen hat und drei weitere Personen anwesend waren. Mehr dürfe er über das laufende Verfahren nicht sagen. Jedenfalls will der Kriminologe „mit gebotener Ruhe alle rechtlichen Schritte prüfen. Denn es stellt sich die Frage, ob hier seitens der Generalbundesanwaltschaft und des Bundesgerichtshofs Rechtsbeugung vorliegt“.

20 Hausdurchsuchungen an einem Tag

Am besagten 22. März unterschrieb die Richterin, die auch beim Zeugen Oberndorf zuständig war, insgesamt 19 Durchsuchungsbeschlüsse. Fünf davon bei Beschuldigten, die weiteren 14 bei Zeugen. „Vielleicht hat sie diese Beschlüsse ja gar nicht richtig durchgelesen und den Text der Schreiben, die die Beschuldigten betreffen, rauskopiert und dann bei den Beschlüssen für die Zeugen eingefügt“, sucht Oberndorf nach einer einfachen Erklärung. Die zuständige Richterin ist erst seit Anfang 2023 am Bundesgerichtshof tätig. Davor hat sie ihr Juristendasein bei Staatsanwaltschaften verbracht, auch als Gruppenleiterin.

Oder handelt es sich bei dieser Haudurchsuchung doch um einen weiteren Einschüchterungsversuch, nach dem Motto „Eskalation bei Menschen aus der Demokratie- und Friedensbewegung“? Da der Verein Polizisten für Aufklärung die allgemeinen Grundrechtseinschränkungen während Corona und die Rolle der Polizei dabei kritisch betrachtet, könnten es einige Politiker auf den ersten Vorsitzenden der Polizisten für Aufklärung, dessen Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und seine Menschenwürde abgesehen haben?

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