Hans-Georg Maaßen: „Ich glaube nicht, dass es zu einer politischen oder strafrechtlichen Aufarbeitung kommt“

Dr. Hans-Georg Maaßen, Rechtsanwalt und Präsident des Bundesverfassungsschutzes a. D., spricht mit Alexander Wallasch über Sieg oder Niederlage im Ukrainekrieg, über Markus Söders Trachtenaufmarsch und über das Schüren von Angst als Machtinstrument.

Hier ein Auszug:

Alexander Wallasch: Der Herbst naht mit großen Schritten, die Angst geht wieder um im Land vor den nächsten Lockdowns und Impfzwängen …

Hans-Georg Maaßen: Das Schüren von Emotionen ist wichtig, um die Menschen davon abzubringen, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Das Schüren von Angst ist wichtig, um letztendlich die Menschen zu einem domestizierten Verhalten zu bekommen. Wer Angst hat, reagiert nicht mehr vernünftig, und wer Angst hat ist auch bereit, sich wie ein Sklave behandeln zu lassen. Und deswegen ist das Schüren von Angst, das Erfinden neuer Angstgründe ganz, ganz wichtig, um menschliche Massen zu steuern und zu lenken.

Die Linken haben dieses psychologische Moment in hervorragender Weise ausgenutzt. Denken Sie an die politische Verfolgung in der Sowjetunion oder in China. Wenn Menschen sehen, wie andere ausgegrenzt und verfolgt werden, wenn sie spüren, dass eine unbedachte Äußerung den Job, die Familie oder die Freiheit kosten kann, dann werden sie gefügig sein. Und eine Massenpsychose ist das Beste, was einem sozialistischen System für die Stabilität passieren kann. 

Bei der Corona-Krise haben wir alle erlebt, dass eine Angstpsychose von Regierung und Medien bewusst eingesetzt worden war, um alle Widerstände gegen die politischen Entscheidungen zu brechen. Auch beim Ukrainekrieg nehme ich wahr, dass immer wieder mit der Angst der Menschen gespielt wird. Erstaunlicherweise nicht vor einem Atomkrieg, sondern vor der russischen Gefahr, dass Putin in Kürze am Rhein steht. Diese Angstpsychose bringt die Leute dazu, jeder politischen Weisung zu folgen, weil sie wissen, wenn sie den Weisungen aus der Tagesschau oder von Herrn Habeck oder Drosten folgen, bewegen sie sich auf der sicheren Seite und ihnen kann nichts passieren.

Das Schüren von Angst und das politische Instrumentalisieren von Angst ist perfide. Massenmedien spielen da eine ganz schlimme Rolle, da ohne sie Angst und Massenpsychosen nicht geschürt werden könnten. Der Einsatz von Angst und Massenpsychosen zur Durchsetzung politischer Zwecke ist nichts Neues. Das ist schon seit den 1930er Jahren von Linken vorgedacht worden. Das schlimme ist, dass dies kaum jemand thematisiert. Dem Bürgertum werfe ich vor, dass es sich damit nicht beschäftigt hat. Es liest nichts, weder was die Linken an Theorien und Taktiken ausarbeiten noch was bürgerliche Wissenschaftler wie Schelsky oder Gehlen dazu zu Papier gebracht haben. Aber wenn man nicht bereit ist zu lernen, muss man eben die Erfahrungen selbst machen.

Alexander Wallasch: Aber haben Sie nicht das Gefühl, dass die Medien jetzt doch langsam kippen? Oder ist das schon wieder so eine Art Anpassungsbewegung?

Hans-Georg Maaßen: Nein, ich sehe nicht, dass sie kippen. Sie stehen nach wie vor zu ihren Narrativen. Ab und an wird ein Fensterchen geöffnet, das etwas Luft einzieht, wenn gesagt wird: Erstaunlicherweise haben die Impfungen doch Nebenwirkungen. Das machen sie nur, weil der Druck zu groß wird. Aber ansonsten wird das staatliche Narrativ überhaupt nicht in Frage gestellt. Und nach wie vor stehen sie wie eine Eins zu Lauterbach und Drosten. Und jemand wie Bhakdi, der frühzeitig darauf hingewiesen hat, dass es Nebenwirkungen haben kann, wird nach wie vor verfolgt.

Alexander Wallasch: Ich habe ja einen Beitrag geschrieben über eine Studie zum Long-Covid-Phänomen – ich glaube, die kam aus Freiburg –, die klar gesagt hat, dass das zum großen Teil psychosomatisch ist. Kann nicht das Empfinden von Impfnebenwirkungen ebenfalls ein psychosomatischer Effekt sein?

Hans-Georg Maaßen: Ich bin kein Arzt und kann das schon deshalb nicht fachlich beurteilen. Andererseits kann ich es mir nicht vorstellen, denn die schweren Impfnebenwirkungen, und nur über die schweren wird gesprochen, sind Fälle wie Herzmuskelerkrankungen, Gehirnschlag oder Tumorerkrankungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Wirkungen psychosomatisch sind.

Alexander Wallasch: So Menschen wie Katrin Göring-Eckardt oder wie Bundeskanzler Scholz. Woher – das frage ich mich schon eine Weile – kommt eigentlich diese Verachtung für das Eigene?

Hans-Georg Maaßen: Ich glaube bei einigen Leuten sind es familiäre Verstrickungen. Wenn ich an Siegmar Gabriel denke, dessen Vater ein Altnazi war und der einem meiner Vorgänger als Verfassungsschutzpräsidenten Hitler-Devotionalien noch nach dem Tod des Vaters angeboten hatte, als ob der Verfassungsschutz der Müllhaufen wäre für Hitler-Bilder – da sehe ich bei solchen Personen eine persönliche oder familiäre Verstrickung, die zu Komplexen führt. Genauso wie bei Weizsäcker, dem Bundespräsidenten, dessen Vater Kriegsverbrecher und stellvertretender Außenminister unter Hitler war. Bei anderen mag es daran liegen, dass es hochprofitabel ist, ein Antideutscher zu sein. Man kann und konnte damit sehr gut eine linke Karriere machen. Und im Übrigen hat eine jahrzehntelange Gehirnwäsche durch Bildungseinrichtungen und Medien gute Arbeit geleistet.

Alexander Wallasch: Wir hatten letztes Mal schon darüber gesprochen, dass es durch den anhaltenden Außendruck zu einer Radikalisierung kommt – insbesondere hier mit Blick auf die AfD.

Hans-Georg Maaßen: Natürlich kommt es auch dazu. Das ist ja offensichtlich auch vom Mainstream beabsichtigt. Also der Außendruck, die Ausgrenzung, die Diffamierung, Diskreditierung hinterlässt natürlich auch psychische Spuren. Viele verlassen dann eine solche Partei, weil sie es nicht mehr ertragen können, als „Nazi“ bezeichnet zu werden.

Oder die es nicht mehr in der Familie ertragen, wenn die Frau sagt: Wenn du weiter in einer solchen Partei bist, dann lass ich mich scheiden. Je größer der Ausgrenzungs- und Repressionsdruck, desto mehr normale Menschen wenden sich von dieser Partei ab. Das führt dazu, dass die Radikalen in dieser Partei bedeutender werden, weil die Gemäßigten sich zurückziehen. Bei der AfD sehen wir es derzeit nach dem Weggang von Meuthen und weiteren Gemäßigten. Das führt zu einer weiteren Radikalisierung der Partei, man kann sagen zu einer self-fulfilling Prophecy nach dem Motto: Aha, wir haben es ja immer schon gesagt, das ist wirklich eine radikale, eine extreme Partei.

Alexander Wallasch: Jetzt wäre eine spannende Frage, ob nicht die gesellschaftlichen und die gesellschaftspolitischen Umstände am Ende auch eine Radikalisierung erzwingen. Jetzt haben wir es ja gerade ein wenig pathologisch dargestellt. Aber wenn sich die Verhältnisse nicht ändern und man mit dem, was man bewirken will, und mit dem, was man an Einfluss hat – immerhin war die AfD Oppositionsführer im Deutschen Bundestag – wenn man damit so gar nichts erreicht, wenn man auch medial nicht wahrgenommen wird: Ist die Radikalisierung dann nicht am Ende auch die natürlichste Reaktion und weniger eine pathologische?

Hans-Georg Maaßen: Radikalisierung insoweit ja, wenn es um die Lautstärke geht. Aber nicht, wenn es um die inhaltliche Ausrichtung geht. Ich kann natürlich verstehen, dass derjenige, der totgeschwiegen wird, derjenige, der permanent diffamiert wird, versucht, sich einen noch lauteren Lautsprecher zu nehmen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Das ist schon verständlich und noch okay. Aber etwas anderes ist es, wenn man sich in die wirkliche Radikalisierungsspirale reinbegibt. Und das bedeutet, dass man die Probleme nicht mehr auf vernünftige Art und Weise lösen will, sondern radikal oder sogar extrem. Damit schadet man sich selbst, weil, damit ist man nicht mehr vermittelbar. Und damit kann man letztendlich auch keine Lösung finden.

Alexander Wallasch: Man kann einkaufen ohne Masken und diese ganzen Dinge, es ist ja doch wieder sowas wie normaler Alltag eingetreten. Aber ich habe das Gefühl, dass manche Leute das Normale gar nicht mehr sehen wollen …

Hans-Georg Maaßen: Ich glaube, dass die Leute dem Braten nicht trauen. Denn Lauterbach und andere wollen weiterhin die Impfpflicht, und sie nutzen offensichtlich die Zeit bis zum Herbst um die politischen Mehrheiten dafür zu organisieren. Lauterbach wird erst Ruhe geben, wenn wir eine Impfpflicht haben und alle in Deutschland mehrfach geboostert sind. Das heißt also, er kämpft weiter für die Impfpflicht, wie viele, viele im parlamentarischen Bereich auch. Und er kämpft nicht mit offenem Visier. Wir wissen nicht, was er alles dann noch treibt, um Seilschaften und Netzwerke zu bilden, die ihn dann im Herbst dabei unterstützen. Viele Menschen nehmen das wahr und glauben deshalb nicht, dass es jetzt vorbei ist, sondern dass es im Herbst wieder losgeht. Wieder mit der Impfpflicht, wieder mit 2G und all dem, was wir schon gehabt haben.

Alexander Wallasch: Wolfgang Kubicki war es, glaube ich, der einen Corona-Untersuchungsausschuss forderte. Glauben Sie denn, dass irgendwer irgendwann für irgendwas zur Rechenschaft gezogen wird?

Hans-Georg Maaßen: Na ja, bei all dem, was passiert ist, kann man für alles auch eine Strafrechtsnorm finden, und sei es fahrlässige Körperverletzung oder Freiheitsentziehung. Aber ich glaube nicht, dass es unter den jetzigen Umständen zu einer strafrechtlichen oder parlamentarischen Aufarbeitung kommen wird. Es gibt mittlerweile so viele Mittäter und Beihelfer, die mitgemacht hatten, den Mund hielten, obwohl sie eigentlich hätten reden müssen, die andere diffamierten oder die einfach nur die Hand aufhielten. Kaum jemand im politischen oder justiziellen Betrieb hat ein Interesse – und sei es in den Redaktionsstuben, die das alles schöngeschrieben haben –, dass hier eine Aufarbeitung stattfinden wird. Ich sehe nicht, dass es eine qualifizierte Minderheit für eine parlamentarische Aufarbeitung gibt. Glauben Sie, die CDU würde etwa dafür sein? Nein, weil sie ein Höchstmaß an Schuld trägt. Wir bräuchten schon eine grundlegende Veränderung des politischen Koordinatensystems. Andernfalls sehe ich nicht, dass es zu Lebzeiten der Verantwortlichen eine Aufarbeitung geben wird, sondern erst dann, wenn man sie nicht mehr belangen kann.

Alexander Wallasch: Wenn wir eine Schuldzuweisung mal theoretisch vornehmen würden, wen trifft es da mehr? Die Politik oder die Medien?

Hans-Georg Maaßen: Im Strafrecht unterscheidet man zwischen Täterschaft und Teilnahme. Wenn man mit diesen Begriffen arbeiten will, dann waren die Politiker natürlich die Täter und die Medien die Teilnehmer in Form von Anstiftung und Beihilfe.

Hier das ganze Interview lesen: https://www.alexander-wallasch.de/gastbeitraege/hans-georg-maassen-im-interview-wer-angst-hat-ist-bereit-sich-wie-ein-sklave-behandeln-zu-lassen