Der Veröffentlichung der Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) durch die AfD am 12. Dezember folgten verschiedene, einander widersprechende Dementis sowie zahlreiche Faktenchecks großer Medien. Tenor: Die AfD hat die Zahlen falsch analysiert, einen massiven Anstieg plötzlicher und unerwarteter Todesfälle hat es nicht gegeben. Doch die KBV-Daten enthalten anderes, bislang nicht diskutiertes, brisantes Zahlenmaterial, das auch das Paul-Ehrlich-Institut unter Druck setzt. Zudem wirft die am 16. Dezember vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Todesursachenstatistik für das Jahr 2021 Fragen auf.
Von Paul Schreyer auf Mulitpolar
Zunächst ein kurzer Blick auf die Medienberichterstattung zum Thema. Den Grundton der Analysen setzte die WELT am 13. Dezember mit dem Artikel „Die falschen Horrorzahlen der AfD“. Daran orientierten sich die meisten anschließend veröffentlichten Faktenchecks, wie etwa von der Nachrichtenagentur dpa („Sterbefall-Anstieg erfunden“), von Correctiv, der Tagesschau oder vom ZDF („Logiklücke statt Impftote bei der AfD“).
Eine solche eher parteipolitisch gefärbte Einordnung der Zahlen fiel, unabhängig von den Fakten, wohl vor allem aus zwei Gründen auf fruchtbaren Boden: Zum einen passte sie zum gängigen Blick auf die AfD in Politik und Medien, wonach dieser Partei zu misstrauen sei, da sie grundlos die Bevölkerung aufhetze, zum anderen stützte sie das weiterhin bestehende Tabu, die Impfung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Da praktisch alle etablierten Akteure die Massenimpfung von Anfang an – und bis heute – unterstützt haben, gibt es weiterhin, abgesehen von Einzelpersonen, so gut wie keine Institution mit Einfluss in der Gesellschaft, die ein Interesse daran hat, schwere Gefahren zu thematisieren oder gar einen Stopp der Impfkampagne zu fordern. Fast jeder Verband, fast jede Partei, fast jedes Medium ist kompromittiert.
In dieser Stimmungslage ging denn auch weitgehend unter, dass nicht die AfD Daten gefälscht oder fehlinterpretiert hatte, sondern dass die KBV die angefragten Daten falsch gefiltert lieferte (die Tagesschau kommentierte dazu: „Alles nur ein großes Missverständnis? Danach sieht es aktuell zumindest aus.“) Im Bundestag echauffierten sich Abgeordnete von SPD und CDU dennoch, der Datenanalyst Tom Lausen, der die Zahlen der KBV ausgewertet hatte, sei ein „Datenverfälscher“, „Pseudosachverständiger“, „Scharlatan“ und „Datensalafist“. Wollte man hier die Gelegenheit nutzen und einen unbequemen Sachverständigen (Lausen sprach mehrfach im Gesundheitsausschuss) für die Zukunft ausgrenzen?
Die vorliegenden KBV-Daten, wie sie das Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Erwiderung auf die AfD-Veröffentlichung in der vergangenen Woche publiziert hat, bleiben jedenfalls widersprüchlich. Ein Vergleich der verschiedenen Datensätze zur Entwicklung unklarer und plötzlicher Todesfälle von 2016 bis 2021 zeigt, dass die neuen Daten des Zentralinstituts für einige Jahre sogar bis zu 50 Prozent über (!) den Werten des Statistischen Bundesamtes liegen. Wie verlässlich also sind diese Daten überhaupt?
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