Der Verfassungsschutz hat in seinem Jahresbericht mitgeteilt, dass es inzwischen ausreicht, Politiker zu kritisieren, um als Verfassungsfeind unter Beobachtung zu geraten.
von Thomas Röper auf Anti-Spiegel
Der Verfassungsschutzbericht ist alle Jahre wieder eine interessante Lektüre, denn man kann in ihm lesen, wie die Reste der Demokratie in Deutschland jedes Jahr weiter demontiert werden. Jetzt ist ein neuer Höhepunkt erreicht, denn nun kann man als Verfassungsfeind unter Beobachtung geraten, wenn man führende deutsche Politiker, also die Regierung, kritisiert. Um diesen Rückschritt in die finstersten Zeiten der deutschen Geschichte formal zu rechtfertigen, hat der Verfassungsschutz schon im April 2021 extra eine neue Kategorie von Verfassungsfeinden eingeführt und ihr den Titel „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ gegeben.
Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates
Im diesjährigen Verfassungsschutzbericht findet man Seite 112 Informationen darüber, wer heute Gefahr läuft, als Staatsfeind eingestuft zu werden. Das schauen wir uns nun genau an, denn wenn man es aufmerksam liest, dann stehen einem die Haare zu Berge. Dazu werde ich den entsprechenden Absatz aus dem Bericht komplett zitieren.
Der entsprechende Absatz über diejenigen, die der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ beschuldigt werden, beginnt mit diesem Satz:
„Die Akteure dieses Phänomenbereichs zielen dabei darauf ab, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen.“
Das klingt vernünftig, denn einen funktionierenden Staat wollen wir ja alle, sonst gibt es keinen Schutz durch die Polizei, es würden keine Krankenhäuser mehr funktionieren und so weiter. Dass der Verfassungsschutz das Funktionieren des Staates schützen muss, sieht jeder ein. Die Frage ist nur, in welchen Handlungen der Verfassungsschutz bereits eine Gefahr für das Funktionieren des Staates sieht. Dazu steht im nächsten Satz:
„Sie machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative verächtlich, sprechen ihnen öffentlich die Legitimität ab und rufen zum Ignorieren behördlicher oder gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen auf.“
Über „Entscheidungsprozesse“ des deutschen Staates zu diskutieren oder sie zu kritisieren, ist in den Augen des Verfassungsschutzes bereits gefährlich. Ich bin natürlich ein alter Sack, aber ich habe in der Schule noch gelernt, dass die Demokratie davon lebt, dass sie „mündige Bürger“ hat, die die Regierung kritisieren und alle Regierungsentscheidungen hinterfragen, und dass es in die Diktatur führt, wenn man der Regierung und ihren Entscheidungen blind gehorcht. So war es in der 1930er Jahren und das Ergebnis ist bekannt.
Aber der Verfassungsschutz empfindet Bürger, die der Obrigkeit nicht blind gehorchen, als gefährlich. Das gab es schon öfter in der deutschen Geschichte, nur dass die damals in Deutschland für die Durchsetzung des Gehorsams zuständigen Behörden Gestapo oder Stasi hießen. Heute heißt sie Verfassungsschutz.
Interessant ist der nächste Satz im Verfassungsschutzbericht:
„Diese Form der Delegitimierung erfolgt meist nicht durch eine unmittelbare Infragestellung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Agitation gegen und Verächtlichmachung von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates und ihrer Entscheidungen.“
Wer sind die „demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten„, gegen die man nicht agitieren darf, im Klartext? Die deutschen Politiker, die Regierung. Der Verfassungsschutz sagt damit, in schöne Worte verpackt, nichts anderes, als dass man nicht gegen Regierungsmitglieder agitieren, also sie nicht kritisieren darf. Und Regierungsentscheidungen verächtlich zu machen, ist ebenfalls ein Grund, um vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden.
Der zitierte Absatz des Verfassungsschutzberichtes endet so:
„Hierdurch kann das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen wie dem Demokratieprinzip oder dem Rechtsstaatsprinzip“
Im Klartext: Wer gegen die Regierung agitiert , der ist undemokratisch, handelt gegen die Grundsätze der Verfassung und gegen den Rechtsstaat.
Ich bin natürlich naiv, aber ich dachte immer, dass eine Demokratie davon lebt, dass die Menschen die Regierung kritisieren und gegen sie agitieren, dafür gab es früher sogar ein Wort. Es lautete „Opposition“. Das scheint heute in Deutschland bereits ein Verbrechen zu sein.
Für den Fall Sie glauben, dass ich übertreibe, wenn ich sage, dass man dafür vom Verfassungsschutz überwacht, also ausspioniert und abgehört werden kann, zitiere ich noch den ersten Satz des folgenden Absatzes:
„Solche Bestrebungen werden vom Verfassungsschutz in den Blick genommen, unabhängig davon, ob die dahinterstehende ideologische Ausrichtung einem bereits bekannten extremistischen Phänomen eindeutig zuzuordnen ist“
Der Verfassungsschutzbericht sollte den Titel „Willkommen im besten und demokratischsten Deutschland, das wir je hatten“ tragen.
Die Konsequenzen für Regierungskritiker in Deutschland
Inzwischen gibt es reichlich Beispiele für politische Repressionen in Deutschland. Der Polizeibeamte Michael Fritsch hat während Corona auf einer Querdenkendemo gesprochen und wurde daraufhin vom Dienst suspendiert und seine Wohnung wurde durchsucht. Ein Bericht eines Referatsleiters im Bundesinnenministerium, der auf die (mögliche) Unverhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen der Regierung gewarnt hat, hat zu einem Arbeitsverbot geführt. Als Schauspieler und andere Künstler sich in ironischen Videos zu den Corona-Maßnahmen der Regierung geäußert haben, wurden Berufsverbote gegen sie gefordert. Bei einem Richter, der sich in einem Urteil gegen die Maskenpflicht an Schulen ausgesprochen hat, wurde ebenfalls eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Wie war das noch mit der unabhängigen Justiz in Deutschland?
Heute darf man auch die deutsche Außenpolitik nicht mehr kritisieren. Wer nicht in die (ebenfalls aus den dunklen Jahren der deutschen Geschichte bekannten) anti-russischen Parolen einstimmen möchte, sondern russische Argumente zitiert, dem drohen bis zu drei Jahre Haft. Das wird auch angewendet, wie das Beispiel von Alina Lipp gezeigt hat.
Die Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen. In Deutschland werden Regierungskritiker und Andersdenkende inzwischen offen vom Staat unter Druck gesetzt. Dafür gibt es einen Fachausdruck: Repression von Regierungskritikern.
So weit ist Deutschlands beste Demokratie aller Zeiten inzwischen gekommen. Was hat das noch mit Demokratie und Meinungsfreiheit zu tun?
Wehret den Anfängen!
Alle, die den Maßnahmen der Regierung Beifall klatschen oder ihnen gleichgültig gegenüber stehen, sind diejenigen, die auch 1933 Beifall geklatscht oder gleichgültig zugeschaut hätten. Wir erleben gerade, wie unter dem Beifall von vielen (vielleicht der Mehrheit?) die Grundrechte außer Kraft gesetzt, Kritiker der Regierung folgenlos als „Volksfeinde“ bezeichnet, kritischen Künstlern Berufsverbote angedroht, andersdenkende Beamte suspendiert und schikaniert werden. Parallelen zu 1933 zu ziehen, ist nicht übertrieben, denn 1933 wusste niemand, was 1939 oder 1943 passieren würde. Und auch heute weiß niemand, was die Zukunft bringen wird.
Dabei sollten wir aus der deutschen Vergangenheit doch gelernt haben, dass es zu nichts Gutem führt, wenn man der Regierung einfach vertraut und darauf hofft, sie wolle nur unser Bestes.
Und eine wichtige Lehre aus der Nazi-Vergangenheit Deutschlands sollte es doch sein, dass man die Regierung kritisieren darf, ohne deshalb Nachteile befürchten zu müssen. Das gilt heute aber nicht mehr in Deutschland.
Wer jetzt Beifall klatscht, weil er vielleicht der Meinung ist, dass ihn das ja nicht betrifft und dass die Andersdenkenden alle Spinner sind, die es nicht besser verdient haben, der sollte eine weitere Lehre aus der Nazi-Zeit nicht vergessen, die Martin Niemöller so treffend formuliert hat:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Heute machen sich Menschen, die eine abweichende Meinung haben, der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ schuldig. Darüber sollte man mal nachdenken…
Wichtige Anmerkung: Da es Menschen gibt, die Artikel wie diesen falsch verstehen wollen, sage ich es in aller Deutlichkeit: Ich verharmlose nicht das Dritte Reich oder seine Verbrechen! Ich tue das exakte Gegenteil, wenn ich mir die Worte der Opfer des Nationalsozialismus zu Herzen nehme und bei Einschränkungen der Grundrechte oder der Meinungsfreiheit laut fordere:
Wehret den Anfängen!
Hier gefunden: https://www.anti-spiegel.ru/2022/wer-entscheidungen-der-deutschen-regierung-kritisiert-ist-ein-fall-fuer-den-verfassungsschutz/