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Richter mit Courage: Kündigung von coronakritischer Journalistin rechtswidrig

Unglaubliche Vorgänge in Zeitungshaus jetzt dank Verfahren öffentlich dokumentiert

Endlich wieder einmal eine gute Nachricht in diesen Zeiten: Die Journalistin Sylvia Eigenrauch von der „Ostthüringer Zeitung“ konnte sich vor Gericht erfolgreich gegen ihre Kündigung durchsetzen. Diese hatte politische Gründe: Der Leitung der Zeitung passte es nicht, dass die beherzte Kollegin das mit der Meinungs- und Pressefreiheit wörtlich nahm und ohne das übliche negative „Framing“ und Diffamierungen etwa über Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen berichtete. Die Causa Eigenrauch ist atemberaubend: Ein zeitgeschichtliches Dokument, das künftige Generationen von Journalisten zu ungläubigem Kopfschütteln bringen wird, wenn sie es in ihrem Studium behandeln – als Beispiel dafür, welche Abwege der Journalismus in Angela Merkels „Haltungs-Demokratur“ einschlug.

Von Boris Reitschuster auf reitschuster.de

Eigenrauch war viele Jahre die Leiterin der Lokalredaktion Gera bei der „Ostthüringer Zeitung“, offizielles Presseorgan der SED-Bezirksleitung Gera. Eine erfahrene, geachtete und geschätzte Journalistin. Bis sie in zwei Beiträgen von der „Haltung“ des Blattes abwich. So verteidigte sie unter anderem Kundgebungen. Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts in Gera muss das Blatt, das zur „Funke Mediengruppe“ in Essen gehört, die leitende Redakteurin nun weiterbeschäftigen.

„Die vom Arbeitgeber beanstandeten Artikel, die zur Kündigung der Redakteurin geführt hatten, seien von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen und hätten nicht gegen publizistische Richtlinien der Zeitung verstoßen, so das Gericht“ laut FOL. „Die vor mehr als neun Monaten gefeuerte Journalistin mit fast 35 Jahren Betriebszugehörigkeit darf demnach mit sofortiger Wirkung an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren. Sie muss zu ihren bisherigen Konditionen weiterbeschäftigt werden.“

Eigenrauch sagte nach der Entscheidung des Gerichts gegenüber FOL: „Ich freue mich, dass das Arbeitsgericht meine journalistische Ehre wiederhergestellt hat und ich wieder für meine Leser schreiben darf.“ Die 57-jährige Journalistin war seit ihrem Rausschmiss im Februar arbeitslos.

Was die „Ostthüringer Zeitung“ als offiziellen Kündigungsgrund angegeben hat, ist in meinen Augen ein Skandal und tritt die Meinungs- und Pressefreiheit mit Füßen: „Frau Eigenrauch hat wiederholt journalistische Beiträge erstellt und veröffentlicht, die der Tendenz der Ostthüringer Zeitung (OTZ) entgegenstehen. Damit hat sie eine äußerst schwere Pflichtverletzung begangen.“

Das klingt wie aus dem Sozialismus. Schon seit Bestehen der Bundesrepublik gibt es die berühmten Klagen, dass die Pressefreiheit eine Freiheit von ein paar hundert Verlegern sei (inzwischen sind es wegen der Konzentration in der Branche weitaus weniger). Dass allerdings so offen wegen einer „falschen“ Meinung ein Mitarbeiter rausgeschmissen und ihm die Existenz gekündigt wird, wäre früher dennoch eher schlecht vorstellbar gewesen. Mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist das in meinen Augen nicht mehr zu erklären. Es erinnert ganz klar an autoritäre Staaten.

Für die Leitung der „Funke-Mediengruppe“ kann ich mich nur fremdschämen. Besonders bizarr: Ihr Chefredakteur ist Jörg Quoos, früher Vize-Chef bei „Bild“ und dann auch Chef beim „Focus“. Mit ihm verbinde ich einige der unangenehmsten Momente meines Berufslebens, gerade auch in Sachen Pressefreiheit. Insofern verwundert es mich einerseits nicht, dass Quoos und Konsorten so mit Mitarbeitern umgehen. Dass sie dabei heute aber so offen vorgehen und nicht mehr wie früher zumindest verdeckter, spricht für sich.

Das „Meinungs-Verbrechen“ der Kollegin war laut „FOL“ unter anderem, dass sie in einem Artikel geschrieben hatte: „Mir erzählten Geraer, dass sie in der Breitscheidstraße das erste Mal in ihrem Leben als Nazis und Faschisten beschimpft wurden.“

So etwas ist im Hause Quoos nicht zulässig. Die Begründung dafür ist abgründig: Mit dieser Formulierung, so ihre Vorgesetzten, habe Eigenrauch den Eindruck vermittelt, dass sie „Quellen zweiten Grades nutzt, die Fakten nicht überprüft und damit unvollständig darstellt“.

Das ist kompletter Unsinn und Verlogenheit im Quadrat. Solche Zitierungen sind branchenüblich. Nur die politische Ausrichtung hat in diesem Fall nicht gepasst.

Eine weitere Passage in ihrem Artikel, die Eigenrauch laut „FOL“ zum Verhängnis wurde, lautete: „Ja, die Demonstrationen sind weiter nicht angemeldet. Doch kein Mensch ist illegal. Das Versammlungsrecht ist ein Abwehrrecht gegen den Staat und dazu gemacht, dass sich Minderheiten Gehör verschaffen können.“

‘Lautstarken Minderheit angedient‘

Damit, so die „Funke Mediengruppe“ von Quoos laut „FOL“, habe die Redaktionsleiterin „das Versammlungsrecht falsch dargestellt, Rechtsverstöße verharmlost und die Faktenlage nicht richtig berücksichtigt“. Mit ihrem Artikel habe sie „in keinster Weise die Belange der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung berücksichtigt“, sondern sich „einer lautstarken Minderheit angedient“.

Jörg Riebartsch, der inzwischen als „Consultant“ tätige pensionierte Chefredakteur der „Ostthüringer Zeitung“, schrieb Eigenrauch zwei Tage nach Erscheinen des Artikels eine wütende Mail, so „FOL“: „Er warf ihr vor, ‘eine Betrachtung‘ geschrieben zu haben, ‘die der Tendenz dieser Zeitung, der OTZ, entgegensteht‘. Und weiter: ‘Ich rüge das ausdrücklich und will nicht, dass so etwas noch einmal geschieht.‘ Riebartsch: ‘Sie haben mit diesem Beitrag nicht nur gegen die tradierte Linie der Zeitung verstoßen, sondern nachhaltig das Ansehen der Zeitung als seriöse Informationsquelle geschädigt‘.“

Der zweite Artikel, der zur Entlassung geführt hatte, drehte sich um eine Frau, die einen offenen Brief an den Geraer Oberbürgermeister geschrieben hatte. Und sich beklagte, auf diesen „eine aus ihrer Sicht lapidare und unerklärliche Antwort“ erhalten zu haben. Die „Funke Mediengruppe“ warf Eigenrauch deswegen vor, sie hätte den Stadtchef vor Erscheinen des kritischen Artikels um eine Stellungnahme bitten müssen, so „FOL“. Auch dieser Artikel sei eine „tendenzbezogene Pflichtverletzung“ gewesen.

Pervertierung von Begriffen

In einer „Arbeitsanweisung“ hatte Riebartsch nach seinem Ärger über Sylvia Eigenrauch seinen Mitarbeitern geschrieben: „Laut Arbeitsvertrag ist die Richtschnur unserer journalistischen Arbeit der Pressekodex des Deutschen Presserates. Zudem sind wir auf den europäischen Gedanken verpflichtet. Wir treten mit unserer Arbeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, unser Grundgesetz, ein … Zudem beharren wir auf dem Gewaltmonopol des Staates.“

Ein derartiges Treten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu begründen – das ist ein Zynismus, wie man ihn aus der DDR und der Sowjetunion kannte, und wie er im Westen früher als abschreckendes Beispiel für den „real existierenden Sozialismus“ im Schulunterricht behandelt worden wäre.

Eigenrauchs Rechtsanwalt Lars Hausigk wies laut „FOL“ die Vorwürfe von Riebartsch & Co. gegen seine Mandantin zurück: Der Verlag behaupte einen Tendenzverstoß der Journalistin, „ohne auch nur ansatzweise darzustellen, worin die Tendenz der Ostthüringer Zeitung (OTZ) überhaupt bestehen soll. Sie zitiert den Pressekodex des Deutschen Presserates, der ja aber keine Tendenz darstellt und gegen den die Klägerin auch in keiner Weise verstoßen hat.“

Mutiger Richter

Richter Dr. Stefan Werner sah das ähnlich. In seinen Augen war die fristlose Kündigung laut „FOL“ „schon aus formellen Gründen“ unwirksam. Auch bei der folgenden ordentlichen Kündigung vom 28. Februar habe es an triftigen Kündigungsgründen gefehlt. Insbesondere seien „keine Verstöße gegen Tendenzen“ der beklagten Zeitung als Tendenzunternehmen feststellbar gewesen. Überhaupt habe die Kammer keine „inhaltlich bestimmte Tendenz“ erkennen können.

„Lediglich zu sagen, dass man sich an die geltende Rechtsordnung und an das Grundgesetz hält“, reiche nicht aus, so der Richter laut „FOL“. Eine inhaltliche Tendenz müsse „darüber hinausgehen“. Der Richter: „Die ist hier jedenfalls nicht ersichtlich gewesen.“ Der Richter setzte sich nach eigenen Angaben intensiv mit den Berichten der entlassenen Journalistin auseinander. „Die Kammer konnte in den beiden hier streitgegenständlichen Artikeln, die von der Klägerin verfasst worden sind, keine Rechtsverstöße erkennen.“

Der Beitrag über die Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen ist in den Augen des Gerichts als „Meinungsstück“ zu werten, das sich „innerhalb der rechtlich zulässigen Grenzen“ bewegt. Auch der zweite Artikel sei „nicht zu beanstanden“. Auf eine Anfrage von „FOL“ an die „Funke Thüringen Verlag GmbH“, ob sie gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen oder Sylvia Eigenrauch weiter beschäftigen werde, gab es zunächst keine Antwort.

Wichtiges Zeitdokument

Der gesamte Vorgang ist ein Sittengemälde der Corona-Republik und zeigt, wie tief antidemokratische Verhaltensweisen sich auch im Journalismus eingefressen haben. Das Vorgehen des Verlags gegen die Journalistin ist ein beispielloser Skandal. Leider ist das keine Überraschung mehr – aber dass alles derart bis ins Detail dokumentiert ist, macht den Fall für künftige Historiker besonders interessant.

Sehr erfreulich ist die Unabhängigkeit des Gerichts. Richter Stefan Werner stellt sich hier mutig dem Zeitgeist entgegen. Man kann nur hoffen, dass er nun nicht mit Ermittlungen gegen ihn und Hausdurchsuchungen rechnen muss, wie dies seinem Richter-Kollegen in Weimar erging, der gegen die Maskenpflicht in Schulen urteilte.

Lichtjahre entfernt

Der Vertrauensverlust unserer Medien, der mit der sogenannten Flüchtlingskrise massiv begann und dann in der Corona-Zeit neue Rekorde erreichte, ist eine schwere Belastung für unsere Gesellschaft und Demokratie. Es wird sehr schwer werden, wieder Vertrauen in den Journalismus zu schaffen. Erster Schritt müsste eine Selbstreflexion der Branche sein. Von der sind wir aber Lichtjahre entfernt. Statt kritisch in den Spiegel zu schauen, versucht man kritische Geister wie die Kollegin aus Thüringen wirtschaftlich und gesellschaftlich zu vernichten.

Ein erschreckendes Zeitzeugnis für Ignoranz und Hochmut ist ein MDR-Interview mit dem OTZ-Chefredakteur Riebartsch vom Mai 2022. Darin lobt er den Kurs seines Hauses in Sachen Corona in höchsten Tönen. Der Interviewer führt zwar kritische Stichworte auf, aber hakt nicht wirklich kritisch nach (anzusehen hier): Kritik, man sei „zu unkritisch“ und „politikhörig“ gewesen, könne er überhaupt nicht nachvollziehen, so Wendehals Riebartsch, der sagt, er sei ein großer Befürworter der Impfpflicht gewesen, sehe das jetzt aber anders: „Wir haben schnell kritisch hinterfragt“. Nicht einmal der geringste Ansatz von Reflexion oder gar Selbstkritik ist bei dem Ex-Chefredakteur zu erkennen. Nur noch 60.146 Exemplare Auflage, ein Minus von 67,3 Prozent seit 1998? Schuld sind nur die anderen! Zur Entlassung von Eigenrauch befragte der GEZ-Journalist Riebartsch erst gar nicht. Unfassbar!

Mein herzlicher Glückwunsch und meine Hochachtung für Sylvia Eigenrauch. Wer heute mutig seine Meinung vertritt, die nicht zum Zeitgeist passt, riskiert damit seine Existenz. Umso mehr als Journalist, und umso mehr in fortgeschrittenem Alter. Dem Verlag muss klar gewesen sein: Es ging darum, Sylvia Eigenrauch wirtschaftlich zu vernichten. Umso tiefer meine Verneigung vor ihrem Mut – der in krassem Gegensatz zum lächerlichen, opportunistischen Gratismut so vieler linientreuer Kollegen steht. Wenn sie der Verlag weiter rausekelt – was ich mir bei Сhefredakteuren wie Quoos mehr als lebhaft vorstellen kann – oder sie einfach keine Motivation mehr hat, für so ein Haus zu arbeiten, ist sie mir auf meiner Seite jederzeit willkommen.

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