Deutschlands grüne Kulturstaatsministerin verteilt Millionen Euro an «Projekte zur strukturellen Stärkung des Journalismus». Von den Auserkorenen ist bisher niemand durch kritische Distanz zu ihrer Partei aufgefallen.
Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», von Marc Felix Serrao, Chefredaktor der Neue Züricher Zeitung (NZZ) in Deutschland
Wenn die Nachrichtenlage schwierig ist, können eigene, positive Nachrichten helfen. Das mag sich Deutschlands Kulturstaatsministerin Claudia Roth gedacht haben, als sie dieser Tage verkündete, den «unabhängigen Journalismus» im Land mit 2,3 Millionen Euro zu fördern. Gerade noch hatte die 67-Jährige wegen der judenfeindlichen Bilder auf der Documenta medial in der Kritik gestanden; die «Jüdische Allgemeine» hatte ihren Rücktritt gefordert. Und nun empfiehlt sich Roth als Förderin von kritischen Beobachtern. Souverän, könnte man meinen.
Bei näherer Betrachtung werfen die Steuermillionen, die an zehn unterschiedliche «Projekte» gehen, allerdings Fragen auf. Einmal grundsätzlich: Kann Journalismus, der Geld von der Regierung erhält, unabhängig sein? Einmal konkret: Dient das, was die Empfänger tun, tatsächlich der «strukturellen Stärkung des Journalismus», wie es die Regierung formuliert?
Eigenes Geld macht unabhängig
Die erste Frage ist rasch beantwortet. Wirklich unabhängig ist naturgemäss nur, wer finanziell auf eigenen Füssen steht; in dieser Hinsicht unterscheidet sich das Leben einer Redaktion nicht vom Leben an sich. Wer mit seiner Berichterstattung eine ausreichende Zahl von Menschen davon überzeugt, zu zahlenden Kunden zu werden, kann von sich behaupten, unabhängigen Journalismus zu betreiben. Und wer als Journalist Geld von der Regierung braucht, ist von ihr abhängig – egal, wie sehr er diesen Zustand rhetorisch zu vernebeln versucht.
Dass Journalismus, der unabhängig ist, anspruchsvoll sein kann, beweist im deutschsprachigen Raum bis heute eine ganze Reihe privatwirtschaftlicher Verlage. Es geht sehr gut ohne den Staat.
Natürlich kann auch in einem Abhängigkeitsverhältnis ordentlicher Journalismus betrieben werden. Beispiele sind Journalistenschulen, die sich von staatlichen Institutionen mitfinanzieren lassen, oder auch einzelne Mitarbeiter und Redaktionen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland. Gewiss, das Geld von ARD, ZDF und Co. kommt nicht vom Staat, sondern von den Bürgern. Aber wenn diese selbst entscheiden könnten, ob sie zahlen, dann müssten die Sender morgen dichtmachen.
Für den Geldfluss sorgt wiederum der Staat, mal in Form des Verfassungsgerichts in Karlsruhe, mal in Form der Landesparlamente, die noch jede Beitragserhöhung bewilligt haben. Staatsfern? Warum sitzen dann – nur ein Beispiel von sehr vielen – gleich vier Ministerpräsidenten im ZDF-Verwaltungsrat?
Nach dieser kleinen Klarstellung nun zu den Projekten, die sich über Geld von der deutschen Regierung freuen können. In der Liste folgt eine wohlklingende Beschreibung auf die nächste. «Sensible Recherchen und Quellenschutz – Digitale Sicherheit von Journalist:innen und ihren Informant:innen» heisst ein Vorhaben der Universität Hamburg. Der Verein für Medien- und Journalismuskritik strebt die «Realisierung eines Online-Portals zur Förderung der Gemeinnützigkeit im Journalismus» an. Und die bereits existierende gemeinnützige Correctiv GmbH will «Lokaljournalismus qualifizieren, Demokratie stärken!».
Recherchen fördern? Gute Sache, erst recht, wenn sie «sensibel» sind. Demokratie stärken? Sowieso. Aber noch einmal, warum braucht es dafür Steuergeld? Es gibt im deutschsprachigen Raum, wie gesagt, genügend unabhängige Medien, die beweisen, dass es aus eigener Kraft geht.
Treffer für Claudia Roth
Die freundliche Antwort lautet: Weil Frau Roth es einfach gut meint. Die weniger freundliche Antwort lautet: Weil es möglicherweise auch darum geht, eine Form von Publizistik zu fördern, die politisch im Sinne der regierenden Geldgeber ist. Sucht man bei Google beispielsweise nach «Correctiv» und «Claudia Roth», erhält man auf den ersten Blick nur Treffer, über die sich die Grüne freuen kann.
Gewiss, Falschnachrichten im Netz sind ein Ärgernis, und Frau Roth war davon, wie viele andere Politiker auch, oft betroffen. Aber so ausdauernd wie vom «Recherchezentrum» Correctiv dürfte sie sonst nur von ihren Mitarbeiterinnen verteidigt werden.
Die Staatsministerin betont, dass alle Förderentscheidungen «zur Wahrung der Staatsferne» von einer unabhängigen Jury beurteilt würden. Doch auch unter den anderen Auserkorenen fällt niemand ins Auge, der schon einmal auf eine Weise berichtet hätte, die Frau Roth oder ihrer Partei missfallen könnte.
200 000 Euro für Ferda Atamans Verein
Die «Neuen deutschen Medienmacher*innen» etwa verteidigten die Grüne, als sie wegen ihrer Kontakte zum antisemitischen Regime in Iran kritisiert wurde. «Eilmeldung: Antisemitismus durch Claudia Roth in Deutschland salonfähig», höhnten sie – und ergänzten, dass landesweit «schallendes Gelächter» in den Gräbern unter anderem von Kurt Georg Kiesinger sowie in AfD-Parteizentralen vernommen worden sei.
Die «Medienmacher*innen», deren frühere Vorsitzende Ferda Ataman übrigens auch in der besagten unabhängigen Jury sitzt und die von den Grünen gerade erfolgreich ins Amt der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gebracht wurde, erhalten in diesem Jahr eine Förderung von bis zu 200 000 Euro.
Frau Ataman habe selbst weder an der Beratung noch an der Abstimmung über das Projekt der «Medienmacher*innen» teilgenommen, teilte eine Regierungssprecherin auf Anfrage mit. Das war, wie man sieht, nicht nötig. Das Geld fließt auch so.
Zur Erinnerung: Die «Medienmacher*innen» sind der Verein, der Spiegel TV wegen dessen investigativer Recherchen zur Clankriminalität in Deutschland einen Schmähpreis namens «Goldene Kartoffel» verliehen hat. Eine Jury, die in einer solchen Organisation «Pfeiler und Stütze der Demokratie» (Claudia Roth) erkennt, kann kein richtiger Journalist ernst nehmen.