Der ukrainische Präsident räumt im Geheimdienst und bei der Generalstaatsanwaltschaft auf, Kollaboration wird in den eigenen Reihen, vor allem aber in den besetzten Gebieten virulent.
Von Florian Rötzer auf overton-magazin.de
Nach der Übernahme der Kontrolle der Medien und dem Beiseitedrängen oder auch Ausschalten konkurrierender Oligarchen wie Poroscheno, Achmetow, der sich durch Abgabe seiner Medien entologarchisiert hat, oder Medwedtschuk, der im Gefängnis sitzt, konsolidiert der ukrainische Präsident Selenskij weiter seine Macht. Am Sonntag hatte er die Entlassung des Chefs des mächtigen Geheimdienstes SBU, Ivan Bakanov, und der Generalstaatsanwältin Irina Venediktova bekannt gegeben. Das hat er mittels eines Dekrets gemacht, weil er den Parlamentsentscheid nicht abwarten wollte.
Beide hätten zu wenig gegen Kollaboration mit Russland in ihren Behörden unternommen, vornehmlich Mitglieder des SBU sind weiterhin mit russischen Geheimdiensten verbandelt. Zudem wurde Oleg Kulinich, der ehemalige SBU-Leiter der Krim, als Verräter inhaftiert. Er soll Bakanov nahegestanden haben. Auch in Charkiw und Kherson hatte Selenskij die SBU-Chefs wegen angeblicher Russland-Nähe gefeuert. Es geht dabei um den Kampf gegen mutmaßliche Kollaborateure mit dem Feind nicht nur auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet, da Russland mit Kollaborateuren aus Sicht von Kiew seine Macht in den besetzten Gebieten befestigt.
Mit Bakanov und Venediktova entließ Selenskij Vertraute von ihm, denen er selbst den Posten verschafft hatte. Die Entscheidung, in die zentralen Sicherheitsbehörden im Krieg einzugreifen, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die vom Präsidenten vielbeschworene Einheit zerfällt und er selbst wieder wie vor dem Krieg unter Kritik gerät. Auch die Leitung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) wird neu besetzt. An Andrij Yermak, dem Leiter des Präsidialamts der Ukraine und Freund, hält Selenskij jedoch fest – trotz einiger Skandale, Untersuchungen des NABU und neuerdings der Kritik der amerikanischen Abgeordneten Victoria Spartz, die aus der Ukraine stammt. Sie wirft Yermak vor, mit den Russen verbandelt zu sein. Yermaks Stellvertreter Oleh Tatarov wird Korruption und Verbindungen zum prorussischen Oligarchen Medwedtschuk vorgeworfen. Venediktova hatte 2020 das Verfahren gegen ihn abgeblockt. Yermaks Position wurde nun mit der Ernennung des Ersten Stellvertreters von Bakanov, Vasily Malyuk, zum Geheimdienstchef und der Stellvertreterin von Venediktova, Alexei Simonenko, als Generalstaatsanwältin gestärkt, kommentiert Strana. Beide sollen mit Yermal verbandelt sein.
In einer Aktion, die Selenskij als „Selbstreinigung“ bezeichnet, wurde überdies eine Reihe von Geheimdienstmitarbeitern entlassen. Alle Angestellten werden überprüft. Der Generalstaatsanwaltschaft warf er vor, dass Hunderte von Verfahren wegen Verrat oder Kollaboration gegen Mitarbeiter laufen und dass 60 Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft und des Geheimdienstes in den besetzten Gebieten geblieben seien und „gegen unseren Staat arbeiten“ würden.
Dass das Thema der Ukrainer, die in den besetzten Gebieten geblieben sind und sich mit der neuen Macht zumindest arrangiert haben, virulent wird, zeigt sich auch in der gestrigen Rede Selenskijs. In dieser forderte er die Menschen in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten auf, in Kontakt mit den Ukrainern in den besetzten Gebieten zu treten und dort die Wahrheit zu verbreiten. Informationen über die Ukraine sollten von den Ukrainern kommen.
Die US-Regierung gibt sich angesichts des Vorgehens von Selenskij gegen die Sicherheitsbehörden gelassen. Man beobachte sorgfältig die Situation und stehe täglich im Kontakt den ukrainischen Partnern“, sagte Ned Price, der Sprecher des Außenministeriums: „Wir investieren nicht in Persönlichkeiten, sondern in Institutionen.“ Das ist sicherlich eine irreführende Behauptung. Russland habe immer versucht, die ukrainische Regierung zu destabilisieren, meinte Price. Aber auf die Frage, ob man in Washington nicht besorgt sei, Geheimdienstinformationen an die Generalstaatsanwaltschaft weiterzugeben:. „Wir tauschen Geheiminformationen mit unseren ukrainischen Kollegen aus … Wir werden damit fortfahren.“ Man wolle weiter Informationen über russische Kriegsverbrechen liefern, viele der Informationen seien Open Source. Wie das mit der Weitergabe von Geheimdienstinformationen an den SBU bzw. das ukrainische Militär ist, darüber äußerte er sich nicht.
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