Putin hat bei einem Treffen mit den Fraktionschef im russischen Parlament eine Rede gehalten, die viele wichtige Aussagen enthalten hat.
Von Thomas Röper auf Anti-Spiegel
In seinem zum Treffen mit den Fraktionschefs der Parteien im russischen Parlament hat Präsident Putin eine kurze Rede gehalten, die viele interessante Aussagen enthalten hat, weshalb verschiedene Medien in ihren Überschriften sehr unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben. RT-DE hat zum Beispiel getitelt „Putin: „Der Westen will uns auf dem Schlachtfeld schlagen – Sollen sie es nur versuchen““ – während die Überschrift des Spiegel „Putin zum Krieg in der Ukraine – »Wir haben noch gar nicht richtig angefangen«“ lautete.
In seiner Rede hat Putin vor allem den russischen Parteien und ihren Abgeordneten für ihre parlamentarische Arbeit gedankt und noch einmal erklärt, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland zwar durchaus einige Schwierigkeiten verursachen, dass sie aber insgesamt nicht allzu wirksam sind und man sie getrost als gescheitert betrachten kann, weil sie ihr Ziel, die russische Wirtschaft zu zerschlagen, offensichtlich nicht erreicht haben.
Ich habe den Teil von Putins Ansprache übersetzt, in dem es um die in den Medien meist zitierten Aussagen Putins geht. In dem Teil geht es um Geopolitik, die Ursachen für den heutigen Konflikt in der Ukraine, der in Wirklichkeit ein Konflikt des Westens gegen Russland (und nicht etwa umgekehrt) ist, der auf dem Rücken der Ukraine ausgetragen wird, nachdem der Westen die Ukraine zu einem anti-russischen Vorposten ausgebaut hat, was einen bewaffneten Konflikt im Grunde unvermeidbar gemacht hat.
Putin geht dabei darauf ein, dass die Anfänge des Konflikts über 20 Jahre in der Vergangenheit liegen, als die Beziehungen der NATO zu Russland unter Jelzin offiziell gut waren. Putin hat nach seinem Amtsantritt, in Russland ist das bekannt, den USA unter Präsident Clinton den Vorschlag gemacht, Russland in die NATO aufzunehmen und so eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in Europa zu schaffen. Darüber wollten die USA jedoch nicht sprechen.
Es folgten die Kündigung des ABM-Vertrages unter US-Präsident Bush Junior und die Ankündigung des Aufbaus der US-Raketenabwehr in Europa, die eindeutig gegen Russland gerichtet und kein defensives, sondern ein aggressives System ist. Sollte das für Sie neu sein, können Sie hier die Gründe dafür erfahren.
In der Folge verschlechterten sich die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland immer mehr und als Russland schließlich 2021 deutlich an seine roten Linien erinnerte und ultimativ gegenseitige Sicherheitsgarantien vom Westen forderte, der Westen das aber ablehnte, war der weitere Weg vorgezeichnet.
Ich habe den geopolitischen Teil von Putins Ansprache übersetzt, damit Sie die daraus in den Medien zitierten Passagen im Gesamtzusammenhang sehen und einordnen können.
Beginn der Übersetzung:
Der so genannte kollektive Westen, angeführt von den USA, verhält sich bekanntlich seit Jahrzehnten gegenüber Russland äußerst aggressiv. Unsere Vorschläge für ein gleichberechtigtes Sicherheitssystem in Europa wurden abgelehnt. Initiativen zur Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr wurden abgelehnt. Warnungen vor der Unannehmbarkeit der NATO-Erweiterung, insbesondere auf Kosten ehemaliger Sowjetrepubliken, wurden ignoriert. Schon die Idee einer möglichen Integration Russlands in eben dieses NATO-Bündnis in einer Zeit, als das Verhältnis zur NATO ungetrübt zu sein schien, erschien ihren Mitgliedern absurd.
Und warum? Weil sie die Existenz so eines Landes wie Russland einfach nicht brauchen, deshalb. Deshalb haben sie den Terrorismus und den Separatismus in Russland, die inneren destruktiven Kräfte und die „fünfte Kolonne“ in unserem Land unterstützt. Die alle erhielten und erhalten noch immer die bedingungslose Unterstützung des kollektiven Westens.
Man sagt uns heute, dass wir einen Krieg im Donbass, in der Ukraine, begonnen hätten. Nein, er wurde von eben diesem kollektiven Westen entfesselt, indem er 2014 den verfassungswidrigen bewaffneten Staatsstreich in der Ukraine organisiert und unterstützt hat, und dann zum Völkermord an den Menschen im Donbass ermutigt und ihn gerechtfertigt hat. Genau dieser kollektive Westen ist der direkte Anstifter, der Schuldige an dem, was heute geschieht.
Wenn dieser Westen den Konflikt provozieren wollte, um zu einer neuen Etappe im Kampf gegen Russland, zu einer neuen Etappe der Eindämmung unseres Landes überzugehen, dann kann man sagen, dass ihm das bis zu einem gewissen Grad gelungen ist. Sowohl der Krieg ist entfesselt als auch die Sanktionen sind verhängt worden. Unter normalen Umständen wäre es wahrscheinlich schwierig gewesen, das zu erreichen.
Worauf möchte ich hinweisen? Die müssten begreifen, dass sie schon mit dem Beginn unserer Militäroperation verloren haben, denn ihr Beginn bedeutet auch den Beginn des grundlegenden Zusammenbruchs der Weltordnung nach amerikanischem Vorbild. Das ist der Beginn des Übergangs vom liberal-globalistischen amerikanischen Egozentrismus zu einer wahrhaft multipolaren Welt. Einer Welt, die nicht auf egoistischen Regeln beruht, die jemand für sich selbst erfunden hat und hinter denen nichts anderes steht als das Streben nach Hegemonie, nicht auf heuchlerischer Doppelmoral, sondern auf dem Völkerrecht, auf der wahren Souveränität der Völker und Zivilisationen, auf ihrem Willen, ihr historisches Schicksal, ihre Werte und Traditionen zu leben und eine auf Demokratie, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung basierende Zusammenarbeit aufzubauen. Und man muss verstehen, dass dieser Prozess nicht mehr aufgehalten werden kann.
Der Lauf der Geschichte ist unerbittlich, und die Versuche des kollektiven Westens, der Welt seine neue Weltordnung aufzuzwingen, sind zum Scheitern verurteilt.
Gleichzeitig möchte ich sagen und betonen: Wir haben viele Unterstützer, auch in den Vereinigten Staaten selbst und in Europa, und noch mehr auf anderen Kontinenten und in anderen Ländern, und es werden immer mehr, daran besteht kein Zweifel.
Auch in den Ländern, die bisher noch Satelliten der USA sind, wächst die Einsicht, dass der blinde Gehorsam ihrer herrschenden Eliten gegenüber dem Oberherrn in der Regel nicht ihren nationalen Interessen entspricht, sondern ihnen oft radikal widerspricht. Die Zunahme dieser Stimmung in der Gesellschaft müssen sie schlussendlich berücksichtigen.
Heute sind sie, die herrschenden Eliten, dabei, das öffentliche Bewusstsein immer stärker zu manipulieren. Die herrschenden Klassen im Westen, die ihrem Charakter nach supranational und globalistisch sind, haben erkannt, dass sich ihre Politik immer mehr von der Realität, vom gesunden Menschenverstand und von der Wahrheit entfernt, und haben begonnen, offen repressive Methoden anzuwenden.
Der Westen, der einst die Grundsätze der Demokratie wie Meinungsfreiheit, Pluralismus und Respekt für andere Meinungen verkündet hat, verkommt nun zum genauen Gegenteil – zum Totalitarismus. Dazu gehören Zensur, Schließung von Medien und willkürlicher Umgang mit Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Diese Verbotspraxis erstreckt sich nicht nur auf den Informationsraum, sondern auch auf Politik, Kultur, Bildung, Kunst – auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens in den westlichen Ländern. Und dieses Modell – das Modell des totalitären Liberalismus, einschließlich der berüchtigten Cancel Culture, der allgegenwärtigen Verbote – wollen sie der ganzen Welt aufzwingen, versuchen es ihr aufzuzwingen.
Aber die Wahrheit und die Realität ist, dass die Menschen in den meisten Ländern so ein Leben und so eine Zukunft nicht wollen und in Wirklichkeit nicht nach formaler und dekorativer, sondern nach substanzieller, echter Souveränität streben und es einfach leid sind, sich vor denen, die sich für außergewöhnlich halten, auf die Knie zu gehen und sich zu erniedrigen, und auch noch zum eigenen Nachteil deren Interessen zu dienen.
Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld besiegen wollen. Was soll man dazu sagen? Sollen sie es doch versuchen. Wir haben schon oft gehört, dass der Westen uns „bis zum letzten Ukrainer“ bekämpfen will. Das ist eine Tragödie für das ukrainische Volk, aber es scheint, dass es in diese Richtung geht. Aber jeder sollte wissen, dass wir im Großen und Ganzen noch gar nichts Ernsthaftes begonnen haben.
Dabei verweigern wir keine Friedenverhandlungen, aber diejenigen, die sie verweigern, sollten wissen, dass es, je weiter es geht, es für sie umso schwieriger wird, sich mit uns zu einigen.
Ende der Übersetzung
Hier weiterlesen, wie Thomas Röper die Putin-Rede bewertet: https://www.anti-spiegel.ru/2022/putin-ueber-den-westen-sie-haben-schon-verloren/