Mediziner befürchten, Praxen schließen zu müssen, Pflegekräfte fürchten die Impfung: 700 Ärzte und 6000 Pflegekräfte wollen die Teil-Impfpflicht stoppen.
So wie diese Pflegekräfte am Montag in Bautzen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht demonstrieren, schließen sich in ganz Deutschland Ärzte und Pflegekräfte zusammen. Sie eint der Widerstand gegen die Impfpflicht für den Gesundheitssektor ab 15. März.
Berlin – Es ist ein Hilferuf, sachlich in der Wortwahl, dramatisch in der Aussage: In einem offenen Brief richten sich 700 Ärzte, Zahnärzte und Therapeuten gegen die Covid-19-Impfpflicht für medizinisches Personal. Die Unterzeichner stammen aus dem gesamten Bundesgebiet und fordern Andreas Gassen auf, den Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, „sich für eine Aufhebung der nach Paragraf 20a geplanten Impfpflicht in Krankenhäusern, Praxen und Pflegeeinrichtungen und vielen weiteren Einrichtungen einzusetzen“. Der Paragraf soll ab 15. März greifen.
„Wir befürchten, unsere Praxen schon in Kürze schließen oder unsere Tätigkeit in der Klinik beenden zu müssen“, heißt es in dem Brief der https://freieaerzterheinmain.wixsite.com/my-site und weiter: „Entweder weil wir selbst uns dem Impfzwang nicht unterwerfen wollen oder weil unserem nicht geimpften oder nicht weiter impfwilligen, für uns unentbehrlichen Praxispersonal vom Gesundheitsamt ein Betreuungsverbot ausgesprochen wird.“ Die Sorge wächst, der Widerstand ebenfalls.
Ärzte: „Schutz anderer durch Impfung nicht möglich“
Auch eine Initiative von Pflegekräften der Universität Tübingen, der sich ebenfalls Mediziner und Therapeuten angeschlossen haben, erhält starken Zulauf. Bereits Anfang Februar hatte die Berliner Zeitung über 300 Beschäftigte berichtet, die sich dort gegen die Impfpflicht wehren. Nun haben sich diese mit Kollegen zusammengeschlossen: 6000 Pflegekräfte aus Baden-Württemberg laufen gegen die Impfpflicht Sturm. Ärzte und Pflegekräfte aus ganz Deutschland eint eine Überzeugung; in dem offenen Brief der Mediziner ist sie so zusammengefasst: „Das von der Regierung vorgebrachte Argument, für die medizinischen/pflegenden/helfenden Berufsgruppen sei eine Impfpflicht nötig, um vulnerable Gruppen zu schützen, ist nicht tragfähig. Die Datenlage zeigt, dass die Infektiosität Geimpfter wie Ungeimpfter gleich ist und daher ein Schutz anderer durch diese Impfungen nicht möglich ist.“
Die Mediziner und Therapeuten verweisen unter anderem auf eine Studie zum Impfdurchbrüchen, die belege, „dass die bislang zugelassenen Impfstoffe alle weder zu einer sterilen Immunität führen noch eine Infektiosität der Geimpften verhindern“. Unverständnis äußern sie zudem über die Art, wie der Genesenen-Status festgelegt wird. „Es sind sehr viele von uns genesen“, sagt eine Gynäkologin aus dem Rhein-Main-Gebiet, die anonym bleiben will aus Furcht, dass ihre Praxis in den Fokus des zuständigen Gesundheitsamts gerät und Helferinnen dort Probleme bekommen könnten. „Den Genesenen-Status haben sie jetzt wieder auf sechs Monate verlängert, aber nur für die Geimpften – für die Ungeimpften soll er weiterhin drei Monate betragen.“
Dabei sei auch diese Vorschrift nicht durch die aktuelle Studienlage gedeckt: „Das Paul-Ehrlich-Institut hat mit der Uni Essen eine Immunität von 430 Tagen ermittelt“, sagt die Ärztin. „Die Johns Hopkins Universität hat im März 2020 eine Untersuchung begonnen und kommt auf 650 Tage Immunität. Warum sollte man sich also als Genesener impfen lassen, zumal in den Zulassungsstudien Genesene ausgeschlossen waren?“
Den Nutzen einer Impfpflicht sieht die Ärzte-Initiative als gering an, den Schaden als möglicherweise immens. „Ich sehe als großes Problem, dass die medizinische Unterversorgung weiter wächst“, prophezeit die Ärztin. „In meiner Praxis betreue ich derzeit rund 110 Schwangere, die haben dann ja akut keine Betreuung.“ Sie selbst stelle ihren Patientinnen frei, ob sie sich impfen lassen, und habe dadurch weiteren Zulauf erhalten, berichtet die Medizinerin, die sich selbst das Virus zuzog, seit geraumer Zeit aber genesen ist.
„Ängstlich mit der Veröffentlichung unserer Namen“
„Wir Niedergelassenen haben langfristige Mietverträge und Angestellte. Wir können nicht einfach einpacken und woanders eine Praxis eröffnen. Insofern bedroht die Impfpflicht unsere Existenz“, macht die Medizinerin klar. Die Stimmung unter den Kollegen sei angespannt und unruhig: „Gegen einige läuft ein Berufsgerichtsverfahren bei der Ärztekammer Hessen, weil sie teilweise Patienten aufgrund ihrer Vorerkrankungen abgeraten haben, sich impfen zu lassen.“ Sie sieht das Recht der Ärzte auf eine freie Wahl der Therapie ausgehebelt. „Das ist erschreckend“, sagt sie. „Deswegen sind wir ängstlich mit der Veröffentlichung unserer Namen.“ Sie vermutet: „Es gibt sehr viel mehr Ärzte, die gegen die Impfpflicht sind.“
Auch in Berlin und Brandenburg mehren sich skeptische Stimmen, unabhängig von der Initiative aus dem Rhein-Main-Gebiet. Wolfgang Kreischer als Vorsitzender des Hausärzteverbands Berlin und Brandenburg erklärt: „Die Mehrheit der Kollegen ist gegen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Vor einem halben Jahr war das noch anders – vor Omikron“, so Kreischer. „Wobei es natürlich schön wäre, wenn das Personal in Praxen durchgeimpft wäre, aber wir sollten uns jetzt besser wappnen für mögliche Virus-Varianten, die zu höheren Sterberaten führen.“
Die Gynäkologin aus Hessen und ihre Mitstreiter lehnen dagegen eine Impfpflicht auch für den Herbst ab. „Es bleibt doch nicht bei drei Impfungen“, sagt sie und verweist auf die 554 Millionen Impfdosen, welche die Bundesregierung 2021 nach eigenen Angaben bestellt hat. „Diejenigen, die im Herbst keinen aktuellen Impfstatus haben, müssten dann ja auch den Beruf aufgeben.“
Einige Pflegekräfte aus Baden-Württemberg trifft dies offenbar schon jetzt, wie die Initiative aus Tübingen berichtet: „In einem großen Uniklinikum ist es schon so weit, dass dem nicht immunisierten Personal der Zutritt zur Kantine verwehrt wird. Besonders hart ist, dass es Einrichtungen gibt, die schon vor dem 15. März ungeimpfte Mitarbeitende freistellen oder gar bereits entlassen haben“, heißt es in einem Brief von Montag an Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Damit eskaliert der Streit um die einrichtungsbezogene Impfpflicht, den die Tübinger zuvor allein mit der Leitung der Uniklinik ausgefochten hatten.
„Die Erwartungen an die Impfungen haben sich leider nicht erfüllt“
In dem Brief heißt es weiter: „Durch die Ökonomisierung im Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren unsere Arbeitssituation extrem verschlechtert.“ Hinzu kamen die Herausforderungen der Pandemie, „auf die wir personell und strukturell nicht vorbereitet waren“ – und nun auch noch die Impfpflicht: „Was vielleicht gut gemeint war, löst viel Unmut und Skepsis aus, da wir täglich die Verläufe der Patienten sehen, die aktuellsten medizinischen Fachinformationen haben und die tatsächliche Datenlagen kennen. Die Erwartungen an die Impfungen haben sich leider nicht erfüllt.“ Die Pflegekräfte schreiben: „So wissen wir, dass wir durch eine COVID-19-Impfung nie eine sterile Immunität erreichen werden und es auch unter Geimpften gehäuft zu Ansteckungen kommt. Auch beobachten wir schwere Verläufe von COVID-19 bei geimpften und geboosterten Patienten. Dazu sind die Impfstoffe nur bedingt zugelassen und bergen Risiken und Nebenwirkungen, wie etwa Myokarditis oder Perikarditis, die nun vermehrt an jungen Patienten auftreten und stationär behandelt werden müssen.“
Trotzdem dürften ungeimpfte Mitarbeitende schon ab März etwa nicht mehr für Dienste oder Urlaubsvertretungen eingeplant werden und teils schon heute nicht mehr an Teambesprechungen teilnehmen. „Wir, als systemrelevante Berufsgruppen, fordern Sie deshalb auf, den Druck auf das betroffene Personal zu reduzieren sowie die Impfpflicht umgehend zu stoppen“, schreiben sie an Kretschmann, „um weiterhin ein funktionsfähiges Gesundheitssystem anbieten zu können“.
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