Verkürzung des Genesenenstatus verfassungswidrig

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Os­na­brück hält die Ver­kür­zung des Ge­ne­se­nen­sta­tus nach einer Co­ro­na-In­fek­ti­on von sechs auf drei Mo­na­te für ver­fas­sungs­wid­rig. Die zu­grun­de­lie­gen­de Re­ge­lung sei un­wirk­sam. Mit einem am Frei­tag er­gan­ge­nen Be­schluss hat es in dem Eil­ver­fah­ren den Land­kreis Os­na­brück ver­pflich­tet, dem An­trag­stel­ler einen Ge­ne­se­nen­nach­weis für ein hal­bes Jahr aus­zu­stel­len. Das VG ver­wies in sei­ner Be­grün­dung auf die hohe Grund­rechts­re­le­vanz.

Gilt die alte Re­ge­lung wei­ter­hin?

Kon­kret geht es in dem Fall um die Ver­kür­zung des Ge­ne­sen­sta­tus auf 90 Tage durch den Ver­weis in der am 14.01.2022 ge­än­der­ten Covid-19-Schutz­maß­nah­men-Aus­nah­me­ver­ord­nung (SchAus­nahmV) auf die In­ter­net­sei­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts (RKI). Die Ver­ord­nung ist nach An­sicht des Ge­richts in der Fas­sung vom 08.05.2021 an­zu­wen­den, die den Ge­ne­se­nen­nach­weis für den Zeit­raum 28 Tage nach (po­si­ti­ver) PCR-Testung bis sechs Mo­na­te da­nach be­stim­me (§ 2 Nr. 5 SchAus­nahmV).

Hohe Grund­rechts­re­le­vanz für den Ein­zel­nen

Zur Be­grün­dung führ­te das Ge­richt aus, dass der Ge­ne­se­nen­sta­tus und damit seine Dauer eine hohe Be­deu­tung für die Frei­heit der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger habe. Es liege auf der Hand, dass der Aus­schluss des Ein­zel­nen von der Teil­nah­me am so­zia­len, kul­tu­rel­len und wirt­schaft­li­chen Leben für den Ein­zel­nen eine hohe Grund­rechts­re­le­vanz, ins­be­son­de­re in Bezug auf die All­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit des Art. 2 Abs. 2 GG unter dem Ge­sichts­punkt der psy­chi­schen Ge­sund­heit und auf die Be­rufs­aus­übungs­frei­heit des Art. 12 Abs. 1 GG – sowie auf wei­te­re Grund­rechts­po­si­tio­nen – habe.

Ver­weis auf eine sich stän­dig än­dern­de In­ter­net­sei­te in­trans­pa­rent

Es ver­sto­ße in An­be­tracht der Be­deu­tung des Ge­ne­se­nen­sta­tus für den Ein­zel­nen gegen Ver­fas­sungs­recht, dass der Ver­ord­nungs­ge­ber die Dauer des Ge­ne­se­nen­sta­tus mit­tel­bar durch einen (dy­na­mi­schen) Ver­weis auf die vom RKI im In­ter­net ver­öf­fent­li­chen Vor­ga­ben auf – ak­tu­ell – 90 Tage nach fest­ge­stell­ter In­fek­ti­on be­schrän­ke. Für diese Wei­ter­de­le­ga­ti­on auf das RKI fehle es an einer Rechts­grund­la­ge, der Ver­weis auf eine sich stän­dig än­dern­de In­ter­net­sei­te des RKI sei in­trans­pa­rent und zudem un­be­stimmt. Ob der­ar­tig weit­rei­chen­de Ent­schei­dun­gen zudem einem Par­la­ments­vor­be­halt un­ter­lä­gen oder ob sie auch die Ver­wal­tung tref­fen dürfe, könne letzt­lich of­fen­blei­ben.

Ge­richt zwei­felt an wis­sen­schaft­lich fun­dier­ter Grund­la­ge

Auch in der Sache fehle es für eine Ver­kür­zung des Ge­ne­se­nen­sta­tus an einer wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Grund­la­ge. Das RKI habe nicht hin­rei­chend wis­sen­schaft­lich auf­ge­ar­bei­tet, ob es be­legt sei, dass nach 90 Tagen der Schutz Ge­ne­se­ner vor einer In­fek­ti­on ende. So­weit der An­trag­stel­ler mit sei­nem An­trag au­ßer­dem er­rei­chen woll­te, dass sein Ge­ne­se­nen­sta­tus schon ab dem Zeit­punkt der Ent­las­sung aus der Qua­ran­tä­ne gel­ten soll­te, blieb der An­trag er­folg­los. Die 28-Tage-Re­ge­lung in der SchAus­nahmV aus Mai 2021 be­ru­he auf nach­voll­zieh­ba­ren wis­sen­schaft­li­chen Er­wä­gun­gen. Damit werde si­cher­ge­stellt, dass mit dem Ge­ne­se­nen­nach­weis auch ein aus­rei­chen­der Im­mun­schutz ein­her­ge­he. Der Be­schluss hat un­mit­tel­bar nur Fol­gen für den An­trag­stel­ler, der An­spruch auf den Ge­ne­se­nen­nach­weis zur Dauer von sechs Mo­na­ten hat.

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