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Hier werden westliche Werte der Freiheit verteidigt: Ukraine verstärkt Internetüberwachung und -zensur

Mit der sowieso schon sehr beschränkten Freiheit im ukrainischen Internet wird es bald zu Ende sein, eigentlich sollte dies schon so sein. Mit der Anordnung Nr. 67/850 vom 30. Januar des Nationalen Zentrums für die operative und technische Verwaltung von Telekommunikationsnetzen (NKRZI) hätten die ukrainischen Provider ein System zur Sperrung von Phishing Domains bis zum 2. März installieren müssen, das es in sich hat und zum Vorbild für andere autoritäre Staaten, auch von Russland, werden könnte.

Von Florian Rötzer auf overton-magazin.de

Zunächst klingt es ganz vernünftig und wenig bedeutsam, wenn Phishing verhindert und damit Hackern das Geschäft erschwert werden soll. Die ukrainische Internetgesellschaft IAU spricht allerdings von einem „Trojanischen Pferd“. Es handelt sich um ein zentralisiertes System, um automatisch Internetseiten im ganzen Land sperren zu können. Und es wird in einer Zeit eingeführt, in der die Kriegssituation schwieriger wird und die Kriegsmüdigkeit auch im Land lauter zu werden droht.

Die Sperrung von Internetseiten, auch von unerwünschten Medienseiten, hat die ukrainische Regierung schon lange praktiziert. Nun soll dies noch einfacher werden und schneller geschehen. Wenn die Provider das Programm installiert haben, wird automatisch alle 15 Minuten eine Liste von Internetadressen für die Sperrung von der in der Anordnung angegebenen Ressource auf den Server des Providers heruntergeladen.

Damit werden aber nicht nur unerwünschte Internetinhalte für die Internetnutzer unzugänglich gemacht. Jeder Internetnutzer, der auf die verbotenen Seiten zugreift, wird mit seinen Daten erfasst und den Behörden übermittelt. Natürlich geht es angeblich nur um „russische Propaganda“, die gesperrt werden soll, was unterstellt, dass die Menschen zu dumm sind, um eine eigene Urteilskraft zu haben. Deswegen dürfen sie nur der richtigen Propaganda ausgesetzt werden.

Die IAU warnte das Präsidialamt der Ukraine, den Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, den Leiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine, die Chefs des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte und des militärischen Geheimdienstes vor den damit entstehenden  Risiken für die nationale Sicherheit der Ukraine. Da wird zwar weniger auf die Überwachung und Verfolgung von Bürgern verwiesen, die verbotene Informationsquellen besuchen, sondern natürlich wird auf die Bedrohung durch den russischen Feind aufmerksam gemacht. Die negativen Folgen für die Ukraine seien nämlich kaum zu überschätzen, wenn der Feind Zugang zu diesem Mechanismus erhält.

Aber es reicht eigentlich auch schon, wenn der Staat die Informationskontrolle ausweitet und verdächtige Informationssucher identifiziert und womöglich verfolgt – und das im Land der Freiheit und Demokratie, das an vorderster Front die westlichen Demokratien und die westliche Lebensweise schützen soll. Immerhin sagt die IAU auch, dass die Implementierung des Zensur- und Überwachungsprogramms den „nationalen Interessen“ schade.

Aber trotz der Einsprüche bleibt die Anordnung in Kraft. Die IAU forderte die Aufhebung der Anordnung oder die sofortige Aussetzung, bis eine Evaluierung von Experten über die Folgen und die Alternativen zur wirksamen, aber weniger riskanten Bekämpfung von Phishing durchgeführt wird. Das wird vermutlich nicht geschehen. Von den Unterstützerländern erfolgt auch kein Einspruch, schließlich geht es nicht um die (Meinungs)Freiheit in der Ukraine, sondern um geopolitische Interessen.

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